top of page

Das Gewaltschutzverfahren - Eine Einführung und Anleitung zur Selbsthilfe

in Zusammenarbeit mit Nadine Luther, Jurastudentin


Noch immer wird ein Großteil der Opfer häuslicher Gewalt von Scham und Ängsten geplagt. Dabei sind es gerade die Täter:innen, die durch ihre Handlungen schamhafte Schwäche zeigen.

Sie tragen keine Schuld an dem, was Ihnen geschieht, und: Sie sind nicht allein. Besonders seit Beginn der Covid-19 Pandemie ist den Zahlen der behördlich registrierten Gewaltakte, begangen durch (Ex-)Partner:innen, ein unerfreulicher Aufwärtstrend zu entnehmen.

Scheuen Sie nicht davor zurück, Ihr Recht auf ein gewaltfreies Leben auch mit Hilfe des Gesetzes durchzusetzen. Dabei kann Ihnen ein Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz behilflich sein.


Wann habe ich einen Anspruch auf eine einstweilige Anordnung nach Gewaltschutzgesetz?

Einen Antrag auf Schutzanordnung kann grundsätzlich jeder Mensch stellen, der Opfer von Gewalt geworden ist. Dabei ist die Beziehung, in der Sie zu dem:der Täter:in stehen, irrelevant.

Als möglichen Anlass einer einstweiligen Anordnung nennt das Gesetz zunächst vorsätzlich und widerrechtlich begangene Verletzungen an Körper, Gesundheit, Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung durch den:die Täter:in.

Des Weiteren kann sowohl das widerrechtliche Androhen von Gewalt als auch das vorsätzliche und widerrechtliche Eindringen in die Wohnung einen Antrag rechtfertigen.

Abschließend nennt das Gesetz als weiteren Schutzanlass die vorsätzliche und widerrechtliche Belästigung durch den:die Täter:in in Form der wiederholten Nachstellung oder Verfolgung gegenden ausdrücklichen Willen des Opfers, auch als Stalking bekannt.


Was kann in einem solchen Beschluss geregelt werden?

Das Gericht kann dem Täter oder der Täterin vor allem Folgendes verbieten:

  • Das Betreten Ihrer Wohnung

  • Den Aufenthalt in einem vom Gericht bestimmten Umkreis Ihrer Wohnung

  • Den Aufenthalt an Orten, an denen Sie sich regelmäßig aufhalten; dazu können z.B. Ihr Arbeitsplatz, der Kindergarten Ihrer Kinder, oder Wohnungen von Verwandten gehören

  • Kontaktaufnahme zu Ihnen, auch nicht durch Telefon, Telefax, Brief, E-Mail

  • Das Herbeiführen eines Zusammentreffens mit Ihnen; im Falle eines zufälligen oder herbeigeführten Zusammentreffens muss sich der Täter oder die Täterin umgehend entfernen.

  • In Fällen physischer häuslicher Gewalt durch eine Person, die im selben Haushalt wohnt, kann auch die (u.U. zeitlich begrenzte) Überlassung der Wohnung an Sie erwirkt werden.


Wohin muss ich gehen, wenn ich eigenständig einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz stellen möchte?

Zur Antragsstellung richten Sie sich an die Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts. Dabei müssen Sie nicht zwingend das Gericht wählen, welches Ihnen am nächsten ist. Ein Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz kann sowohl beim Amtsgericht

  • in dessen Bezirk es zu der Tat gekommen ist,

  • in dessen Bezirk sich die gemeinsame Wohnung der antragstellenden Person und des Täters oder der Täterin befindet, oder

beim Gericht, in dessen Bezirk sich der Täter oder die Täterin gewöhnlich aufhält, gestellt werden. Dies kann vor Allem relevant sein, wenn dem:die Täter:in Ihre Adresse nicht bekannt ist.


Die Leipziger Rechtsantragsstelle finden Sie im Erdgeschoss, Warteraum Nr. 53 im 

Amtsgericht Leipzig, Bernhard-Göring-Straße 64, 04275 Leipzig

Öffnungszeiten:Montag und Donnerstag08.00 Uhr - 12.00 Uhr und 13.00 Uhr - 15.00 Uhr Dienstag08.00 Uhr - 12.00 Uhr und 13.00 Uhr - 17.00 Uhr Freitag08.00 Uhr - 12.00 Uhr


Muss ich Fristen einhalten?

Für Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz herrscht eine Frist von zwei Wochen seit Vorfall. Nur so kann sichergestellt werden, dass Ihr Antrag schnellstmöglich durch das Gericht beschieden wird. Im Falle einer begehrten Wohnungsüberlassung liegt die Frist bei drei Monaten seit Tatbegehung.


Was muss ich zur Rechtsantragsstelle mitbringen?

Die verkürzte Antwort lautet: Sämtliche Informationen, die helfen, Ihr Anliegen auf Schutz begründet und glaubhaft darzustellen und ihren Personalausweis.

Als Antragsstellende:r müssen Sie nicht beweisen, dass Ihnen Gewalt angetan, angedroht oder Ihnen nachgestellt wurde, sondern es dem Gericht glaubhaft machen. Allermeist reicht dafür eine eidesstattlich versicherte, möglichst genaue Schilderung der Tat mit Orts- und Zeitangaben.

Des Weiteren sollten Sie alle Unterlagen mit einreichen, die für den Sachverhalt relevant sein können. Hierzu können ärztliche Atteste, Fotos, Chatverläufe, oder auch Polizeiberichte entsprechender Einsätze gehören. Eine weitere Möglichkeit ist das Benennen bezeugender Personen, beziehungsweise das Vorlegen derer Aussagen. Bei Stalking kann zur Dokumentation die Stalking-App „NO STALK“ des Weißen Rings behilflich sein.

Wollen Sie mit Ihrem Antrag eine Wohnungszuweisung bewirken, sollte zudem der Mietvertrag mitgebracht werden.


Was passiert nach meinem Gang zum Gericht und wann ist die Anordnung wirksam?

Es handelt sich bei Verfahren auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz im Eilverfahren. Diese müssen durch die Gerichte vorrangig bearbeitet werden, sodass bis zum Beschluss meist nur wenige Tage und teilweise sogar nur Stunden vergehen. Eine Anhörung des Täters oder der Täterin findet nicht statt.

Nachdem das Gericht Ihrem Antrag stattgibt , wird die Gewaltschutzanordnung dem:der Antragsgegner:in durch einen Gerichtsvollzieher/einer Gerichtsvollzieherin zugestellt. Sobald der:die Täter:in von der Verfügung in Kenntnis gesetzt wurde, können Verstöße unverzüglich strafrechtlich verfolgt werden. In der Regel wird das Gericht sogar anordnen, dass der Beschluss sofort wirksam wird, unabhängig davon, ob der:die Täter:in davon Kenntnis hat.

In der Regel ist keine mündliche Verhandlung vorgesehen. Ist die Situation für das Gericht jedoch unklar, werden beide Parteien des Antrags zu einer Anhörung eingeladen. Möglich ist auch eine BeantragungeinermündlichenVerhandlungdurchden:dieAntragsgegner:in.FürdiesenFallbestehen verschiedene Optionen des Opferschutzes, unter anderem können Sie eine getrennte Anhörung beantragen.


Welche Handhabe erlange ich gegen den:die Täter:in und wie lange, wenn ich einen Beschluss habe?

Handelt die gewaltausführende Person zuwider der gerichtlichen Anordnung, drohen sowohl empfindliche Geldstrafen als auch Ordnungshaft. Verstöße gegen Gewaltschutzanordnungen stellen außerdem eine Straftat dar, die ebenfalls mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet werden können.

Das Gericht befristet einstweilige Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz in der Regel für die Dauer von 6 Monaten. Ist die Frist abgelaufen, kann bei Bedarf eine Verlängerung der Anordnung beantragt werden.


Fallen für mich als Antragssteller:in Kosten an?

Anträge auf Gewaltschutz sind für die antragsstellende Person grundsätzlich kostenfrei. In der Regel trägt der:die Antragsgegner:in die vollen Kosten des Verfahrens. Kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, können Sie bei Bedarf Verfahrenskostenhilfe beantragen. Anfallende Anwaltskosten, für den Fall, dass sich für eine anwaltliche Vertretung entschieden wird, werden außerdem unter Umständen von der Rechtsschutzversicherung übernommen.



Benötigen Sie Unterstützung bei dem Thema? Gern steht Ihnen Frau Rechtsanwältin Lehnert als Expertin im Familienrecht als Ansprechpartnerin zur Verfügung.

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page